Heute geht es nicht (nur) um Ernährung, sondern um ein weiteres wichtiges Standbein für eine gute Gesundheit und für Wohlbefinden, nämlich um das Thema Bewegung und Entspannung, genauer gesagt um Yoga.
Möchtest du wissen, wie du mit Yoga deine Gesundheit stärken kannst? Und was der Unterschied zwischen dem tibetischen Heilyoga (Lu Jong) und anderem Yoga ist? Oder ob es sinnvoll ist, vor dem Yoga einige Stunden nichts zu essen?
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Solche und viele andere Fragen durfte ich meinem Interviewgast Sonja Dübendorfer stellen.
Sonja Dübendorfer ist dipl. Yogalehrerin SYV, zertifizierte Lehrerin für Lu Jong 1 und Hebamme.
Liebe Sonja, herzlich willkommen. Ich lege gleich mit den Fragen los. Kannst du dich kurz selber vorstellen?
Erst einmal Danke, liebe Anna, für deine Einladung zu diesem Interview! Gerne stelle ich mich kurz vor:
Nach Abschluss der Hebammenschule vor 22 Jahren habe ich zehn Jahre auf diesem wundervollen Beruf gearbeitet, danach in verschiedenen medizinischen Institutionen und nun seit 8 Jahren im Suchtbereich. Verschiedene Aus- und Weiterbildungen im schamanischen, systemisch-psychologischen und komplementärmedizinischen Bereich waren Ausdruck meiner Suche nach den Zusammenhängen und der Sinnhaftigkeit des (Mensch-)Seins. In den letzten 20 Jahren kam ich auch immer wieder mit Yoga in Kontakt, mal mehr, mal weniger intensiv. Rund um die Geburt meiner Tochter 2009 praktizierte ich wieder vermehrt Yoga und mein schon länger gehegter Wunsch, tiefer in die Yogaphilosophie und -praxis einzutauchen wuchs stetig. Von 2011-2015 machte ich dann die Ausbildung zur dipl. Yogalehrerin SYV an der Yoga University Villeret. Ich unterrichte wöchentliche Yogastunden, Yoga für Schwangere und neu ab August 2016 auch Lu Jong.Was ist Lu Jong genau?
Die Übungen des Lu Jong sind Körperbewegungen, welche vor über 8000 Jahren in Tibet entstanden sind. Mönche, welche sich in die Abgeschiedenheit des Himalayas zurückgezogen hatten, entwickelten sie, um ihre Körper gesund zu erhalten oder zu heilen. Die Lu Jong Praxis stammt aus der Bön- und Tantrayanatradition und basiert auf der tibetischen Medizin. Die tibetische Medizin geht davon aus, dass Krankheiten (auf allen Ebenen) die Folge eines Ungleichgewichts der Elemente und/oder Lebenssäfte sind. Die Lu Jong Übungen können dazu beitragen, die physische, mentale und energetische Ebene wieder ins Gleichgewicht zu bringen.
Die nun bei uns gelehrte Form des Lu Jong stammt aus der Übertragungslinie von Tulku Lobsang, einem hohen Meister des Tantrayana, der tibetischen Medizin und Astrologie. Tulku Lobsang brachte die Lu Jong Praxis in den Westen. Zuvor hat er über Jahre von verschiedenen Meistern mehrerer tibetisch-buddhistischer Schulen und aus allen Lu Jong Traditionen Belehrungen erhalten. Dadurch war es ihm möglich, die Übungen zu sammeln, die Essenz daraus zu entwickeln und so zu modifizieren, dass sie den westlichen Bedürfnissen angepasst sind. Das Ergebnis ist ein umfassendes Programm von Körperübungen.
Was ist der Unterschied zu anderem Yoga?
Lu Jong hat, wie bereits erwähnt, seinen Ursprung in Tibet und ist stark mit dieser Tradition und auch der tibetischen Medizin verbunden. Das bedeutet u.a., dass die Verbindung zum Meister/Lehrer als sehr wichtig erachtet wird und Lu Jong nur unterrichten darf, wer von Tulku Lobsang zertifiziert wurde. Im Gegensatz zum Hatha Yoga gibt es im Lu Jong eine übersichtliche Anzahl von Übungen (im Lu Jong 1 sind dies 23, aufgeteilt in 5 Gruppen), welche verschiedenen körperlichen, geistigen und energetischen Themen zugeordnet sind. Nach jeder Übung wird eine Atemtechnik ausgeführt, welche die durch die Bewegungen gelösten „Abfallstoffe“ im Körper entfernt, was wir so im Hatha Yoga nicht kennen. Die Bewegungen sind fliessend und werden nicht lange gehalten – Lu Jong wird auch als „Meditation in Bewegung“ bezeichnet.
Für wen speziell eignet sich Lu Jong?
Lu Jong eignet sich grundsätzlich für alle Menschen, welche für ihre Gesundheit etwas Gutes tun wollen. Tulku Lobsang hat die Lu Jong Lehre bis hin zur Essenz der Bewegung reduziert, die Übungen vereinfacht und modifiziert und so für alle zugänglich gemacht. Besonders auch für uns westliche Menschen, welche oft den Bezug zur Natur und die Sensibilität für den eigenen Körper und Geist verloren haben, kann Lu Jong sehr hilfreich sein.
Ist Lu Jong schwierig zu lernen? Muss man bestimmte Voraussetzungen mitbringen, um Lu Jong lernen zu können?
Die Bewegungen sind vielleicht teilweise ungewohnt aber nicht schwierig und können unabhängig von Alter und Beweglichkeit ausgeführt werden. Auch können sie alle auf einem Stuhl ausgeführt werden, wenn es jemandem nicht möglich ist, länger zu stehen oder auf dem Boden zu sitzen. Es braucht also keine bestimmten Voraussetzungen.
Welche Auswirkungen hat Lu Jong, wenn man es regelmässig praktiziert?
Da gibt es viele! Und ja, die regelmässige Praxis ist natürlich auch hier, wie in allem was wir tun, um Körper und Geist zu entwickeln, unerlässlich.
Die Kombination von Bewegung, Position und Atmung ist eine spezielle Eigenschaft des Lu Jong und sehr kraftvoll. Man kann sich das vorstellen wie eine innere Massage, welche die sogenannten Körperkanäle öffnet, indem Druck auf bestimmte Punkte ausgeübt wird. Auf körperlicher Ebene wird das Immunsystem gestärkt, Ausdauer und Kraft werden erhöht, unsere Sinne gestärkt und die innere Wärme wird gesteigert (Stoffwechsel, zelluläre Prozesse). Zudem wird unser Geist beruhigt und ins Gleichgewicht gebracht, negative Emotionen können besser losgelassen und positive wie Mitgefühl und Freude verstärkt werden, was zu emotionalem Gleichgewicht führt. Zudem lernen wir die Kraft unseres Geistes kennen und nutzen.
Wie oft empfiehlst du pro Woche Lu Jong oder eine andere Form von Yoga zu praktizieren, damit man positive Auswirkungen im Alltag spürt?
Wie oben bereits kurz angetönt ist es wichtig, Yoga regelmässig zu praktizieren um eine nachhaltige Wirkung zu erreichen. Eine tägliche, kurze Praxis, z.B. die Gruppe der ersten fünf Lu Jong Übungen, was ungefähr 15 Minuten in Anspruch nimmt, ist wirkungsvoller als einmal in der Woche eine Stunde zu üben. Und doch ist es natürlich besser, einmal in der Woche ins Yoga zu gehen, als gar nichts zu tun. Nicht selten ist es der Fall, dass sich mit der Zeit von selber das Bedürfnis einstellt, häufiger zu praktizieren.
Wie oft praktizierst du selber Lu Jong oder eine andere Form von Yoga pro Woche?
Mit seltenen Ausnahmen praktiziere ich täglich in irgendeiner Form Yoga (Körper-/Atemübungen, Meditation). Da jede Form von Yoga auch ein Weg zur Selbsterkenntnis ist, finde ich es ganz wichtig, die Brücke von der Praxis auf der Yogamatte zum Alltag zu machen, und somit die Achtsamkeit und das Gewahrsein und die damit verbundenen Erkenntnisse in das ganz alltägliche Leben mit einfliessen zu lassen. Ich verbringe mein Leben schliesslich nicht hauptsächlich auf der Matte…
Wo und wann finden die Kurse statt, falls man Lu Jong kennenlernen möchte?
Im Juni gab es einen ersten Workshop um Lu Jong kennen zu lernen (weitere sind geplant) und ab 18. August 2016 folgen zwei wöchentliche Kurse, einer jeweils am Donnerstag abend 19:45 – 21:00 Uhr und einer jeweils am Freitag morgen von 9:30 – 10:45 Uhr. Die Kurse finden im Studio „yoga erleben“ am Holzikofenweg 20 in Bern, Weissenbühlquartier, statt.
Falls man sich intensiver über Lu Jong informieren will, wo findet man weitere Infos darüber? Gibt es eine Homepage oder ein Buch, das du speziell empfehlen kannst?
Nangten Menlang International (NMI, „Schule Innerer Medizin“) betreut die offizielle Homepage von Tulku Lobsang, die Adresse lautet: www.tulkulobsang.org. Dann gibt es die Seite von Lu Jong: www.lujong.org, wo z.B. auch weitere LehrerInnen/AusbildnerInnen gefunden werden können. Von Tulku Lobsang gibt es das Buch „Lu Jong“, im O.W.Barth Verlag erschienen, welches den Hintergrund, alle Übungen und viele Zusammenhänge gut erklärt.
Wie bist du selber auf Lu Jong gekommen? Und warum hast du diese Ausbildung zur Lu Jong-Lehrerin gemacht?
Ich hatte das Glück, letzten Herbst im Wallis eine Schnupperstunde Lu Jong machen zu dürfen. Ich kannte diese Form von Yoga noch nicht und war sehr neugierig. Schon während der Stunde berührten die Übungen mein Herz und auch die körperliche Wirkung war für mich deutlich spürbar, so dass ich mich bald entschloss, die Ausbildung zu machen.
Gibt es eine einfache Übung, die du hier erklären kannst, die man selber zu Hause ausprobieren kann?
Eine einfache Übung um Energie und Wärme zu erzeugen und welche gerne vor den Lu Jong Übungen gemacht wird, ist „Lung Gyur“. Dazu stehen wir aufrecht, die Füsse zusammen und die Beine gestreckt. Die Arme sind auf der Seite des Körpers nach unten gestreckt, die Hände zu Vajra-Fäusten geballt (Daumen auf der Basis des Ringfingers und innerhalb der geschlossenen Faust). Wir machen kleine Sprünge, indem wir die Füsse vom Boden abstossen. Dies für 30 Sekunden oder mehr, wenn es möglich ist, mit angehaltenem Atem (vor dem Springen tief einatmen, währenddessen den Atem anhalten und danach vollständig ausatmen). Dies kann mehrmals (z.B. 3 Mal) wiederholt werden.
Bei mir dreht sich ja alles um Gesundheit, Wohlbefinden und Ernährung. Daher finde ich auch Fragen zur Ernährung im Zusammenhang mit Yoga sehr spannend. Wie ernährst du dich selber als Yoga-Lehrerin? Was ist dir persönlich wichtig im Bezug auf deine Ernährung?
Ich ernähre mich seit ich 12 Jahre alt bin vegetarisch. Schon früh waren für mich die Qualität der Nahrungsmittel und auch ethische Fragen wichtig und ich achte auf möglichst regionale, biologische und frische (lebendige) Ernährung und faire Produktionsbedingungen. Meine Alltagsküche ist einfach, das Essen soll Freude bereiten und auch Süsses, mal ein Glas zum Anstossen oder Kaffee sind erlaubt. Nicht zuletzt dank Yoga spüre ich immer besser, was und wie viel mir gut tut und was nicht.
Ist es sinnvoll, vor dem Yoga einige Stunden nichts zu essen?
Es ist auf jeden Fall sinnvoll, etwa zwei Stunden vor der Yogapraxis nichts mehr zu essen und 30 Minuten vorher nicht zu trinken. Es ist wirkungsvoller und auch angenehmer, die Übungen mit leerem Magen auszuführen und der Körper ist so nicht mit der Verdauung beschäftigt. Allerdings finde ich auch, dass dies nicht als absolut gelten sollte und es auch nicht gut ist, mit knurrendem Bauch und Hungergefühl zum Yoga zu gehen, wenn man einfach nicht zum Essen und Trinken gekommen ist. Dies festzustellen, kann ja dann vielleicht als Anstoss genommen werden, über den eigenen Tagesablauf und die Essensgewohnheiten zu reflektieren.
Gibt es Nahrungsmittel, die du als Yoga-Lehrerin speziell empfiehlst?
Ich bin keine Ernährungsexpertin und bin ganz grundsätzlich der Meinung, dass es wichtig ist, sofern man ein gutes Körpergefühl entwickelt hat, auf die Signale und Botschaften des Körpers zu achten und diese ernst zu nehmen. Yoga ist eine sehr hilfreiche Methode, um dieses „Bauchgefühl“ zu entwickeln. Die Ernährung hängt auch davon ab, wo auf der Welt ich mich befinde, wie viel körperliche Aktivität ich ausübe (z.B. im Beruf, Sport), welcher Typ ich bin etc. Aus ayurvedischer Sicht stärken Milchprodukte wie Butter, Ghee und auch Honig den Geist und die Struktur und Stabilität des Körpers und werden in den Schriften der altehrwürdigen Yogis empfohlen. Grundsätzlich kann man sagen, dass sattvische Nahrung (frisch, vitalstoffreich und liebevoll) mit viel Gemüse und Früchten, warm und leicht verdaulich, in moderaten Mengen empfohlen werden kann. Es ist auch wichtig, in angenehmer und friedlicher Atmosphäre zu speisen, sich genug Zeit dafür zu nehmen und gut zu kauen. Dankbar und mit Liebe gekochtes Essen zu verzehren ist ein ganz wichtiger Aspekt; geistig-mentale Kraft ist viel stärker als die körperliche und Gemütsnahrung ist oft ebenso wichtig wie leibliche.
Liebe Sonja, herzlichen Dank für das interessante Interview und deine wertvolle Zeit.
Über Sonja Dübendorfer
- Juni 2016 Zertifizierung durch Lama Tulku Lobsang zur Lehrerin für Lu Jong 1 (auf dem Foto ist die Diplomübergabe zu sehen)
- 2011-2015 Ausbildung zur dipl. Yogalehrerin SYV an der Yoga University Villeret
- Weiterbildungen Yoga Nidra, Yoga in der Schwangerschaft und Rückbildungszeit, Yoga mit Kindern
- Sonja unterrichtet Lu Jong, Hatha Yoga und Yoga in der Schwangerschaft im Yogastudio „yoga erleben“ am Holzikofenweg 20 in Bern/Weissenbühl.
Foto: Sonja Dübendorfer
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