Interview mit Judith Wyder (OL- Spitzensportlerin) – Was eine Profisportlerin vor dem Wettkampf isst

August 3, 2017

Was isst eigentlich eine Spitzensportlerin und Weltmeisterin vor einem Wettkampf? Und wie unterstützt sie mit der Ernährung ihre Regeneration? Gibt es vom Coach Vorgaben bezüglich der Ernährung? Oder darf gegessen werden, worauf gerade Lust besteht?
Und welche Tipps hat eine Spitzensportlerin, wenn mal die Motivation fürs Training fehlt?

Zu diesen und anderen Fragen findest du spannende Antworten im Interview mit Judith Wyder.
Judith Wyder kommt aus Bern und ist Orientierungslauf-Spitzensportlerin und Physiotherapeutin. Sie gewann an Welt- und Europameisterschaften bereits mehrere Gold-Medaillen.
Zurzeit ist sie schwanger und bestreitet keine Wettkämpfe.

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Liebe Judith, herzlich willkommen. Ich lege gleich mit den Fragen los.
Im Moment bist du ja schwanger, ich gratuliere herzlich. Fehlt dir das intensive Training bereits?

Ich trainiere schon noch, aber es geht nicht so viel wie vorher, der Körper mag weniger. Das ist auch gut so. Das Training vermisse ich nicht zu stark. Ich glaube, wenn man etwas so bewusst wählt, dann fehlt es einem weniger, als wenn man zum Beispiel wegen einer Verletzung weniger oder nicht trainieren kann.

In den Zeiten, wo du Wettkämpfe bestreitest, welche Rolle spielt da die Ernährung für dich?

Die Ernährung ist grundsätzlich wichtig für mich. Wenn ich nicht gut und genug esse, dann habe ich auch nicht die benötigte Energie, um Leistung zu erbringen.
Ich esse gerne, ich geniesse das Essen. Aber das Essen ist auch nicht ein extrem zentraler Punkt in meinem Leben, das dann doch nicht. Das heisst, es hat schon einen Stellenwert, aber es ist nicht ein immer präsentes Thema. Ich zähle zum Beispiel auch keine Kalorien.

Wirst du gecoacht bezüglich Ernährung? Oder schaust du selber was für dich passt bezüglich Ernährung?

Ich schaue selber mit der Ernährung. Ich hatte mal eine Ernährungsberaterin beigezogen, vor allem, weil ich etwas Probleme mit dem Darm hatte. Ihre Empfehlungen habe ich mit einbezogen in meine Ernährung. Meine Devise ist eine ausgewogene Ernährung. Mir ist es wichtig, mit Freude zu essen und mir auch mal etwas zu gönnen, das gehört für mich auch dazu.
Es geht oft mehr darum, dass ich genug Kalorien aufnehmen kann, das heisst genug esse, damit ich nicht beginne abzunehmen.

Vor einem Wettkampf, was isst du da?

In der Vorbereitung auf Wettkämpfe achte ich darauf, genügend zu essen. Ich mag Gemüse und auch genügend Kohlenhydrate, das brauche ich.
Am Abend vor einem Wettkampf schaue ich, dass ich nicht einen grossen Salatteller esse, sondern mehr Kohlenhydrate in Form von Reis oder Risotto oder Kartoffeln, zum Beispiel kombiniert mit Pouletfleisch. Diese Lebensmittel vertrage ich auch gut, das ist wichtig für mich.
Am Morgen vor dem Wettkampf – da bin ich etwas eine Ausnahme – esse ich mein normales Müsli, das aus Früchten und Nüssen und Mandelmilch (normale Milch nehme ich wegen Laktoseintoleranz und Milchprotein-Allergie nicht) besteht, da ich das am besten vertrage. Dies vier Stunden vor dem Wettkampf. Die vier Stunden bis zum Wettkampf esse ich dann nichts mehr, trinke aber noch Wasser oder Sportgetränke. Das hat sich so für mich bewährt. Es ist zentral für den Wettkampf nicht zu voll zu sein, aber auch nicht Hunger zu haben. Dieses Frühstück und der für mich ideale Zeitabstand bis zum Wettkampf habe ich durch jahrelange Erfahrung herausgefunden.

Wie ist es während dem Wettkampf, isst du da etwas?

Dies hängt von der Disziplin ab. Sprint / Mitteldistanz sind sehr kurz, dies sind 15 bzw. 35 Minuten, da verpflege ich mich während dem Wettkampf nicht.
Bei den Langdistanz-Rennen verpflege ich mich mit Wasser und Gels, alles andere ist schwer aufzunehmen. Im OL müssen wir das ja auch selber mittragen, wir haben niemanden, der alle paar Meter steht und uns etwas anbieten kann. Ich persönlich nehme Sponser-Gele mit Koffein.

Merkst du da einen unmittelbaren Energieschub nach diesem Gel?

Nein, das kann ich so nicht sagen. Ich versuche ja das Gel nicht erst zu nehmen, wenn ich schon in einem Loch bin, sondern bevor es dazu kommen könnte. Bei uns geht es nicht unbedingt um ein physisches Loch, sondern schlussendlich auch um den Kopf. Das Koffein hilft, klar und konzentriert denken zu können während einer Höchstbelastung.

Wie ist es nach dem Wettkampf? Isst du etwas Spezielles, um die Regeneration zu fördern?

Wichtig ist, gut zu trinken. Nicht nur Wasser, ich nehme dann auch mal einen Sirup mit etwas Salz, oder ein Sportgetränk. Sehr gerne mag ich auch Apfelsaft, den vertrage ich gut.
Je nach Phase nehme ich noch einen Protein-Shake, das hängt davon ab, ob ich am nächsten Tag wieder einen Wettkampf habe oder nicht.
Das wichtigste ist jedoch, dass ich innerhalb von zwei Stunden nach dem Wettkampf eine normale Mahlzeit esse, sei es Reis oder Kartoffeln, jeweils mit etwas kombiniert. Damit ich möglichst bald wieder die Energiedepots auffüllen kann. Dies genügt mir dann so.

Wie oft trainierst du, wenn du in einer Wettkampf-Phase bist?

Ich trainiere zweimal täglich, im Durchschnitt sind es 12 Trainings pro Woche.

Trainierst du alleine oder in einer Gruppe?

Oftmals alleine, aber auch mit meinem Mann zusammen. Und die schnellen Trainings mache ich mit einem Leichtathletik Club. Zudem werden ein- bis zweimal pro Woche OL-Trainings organisiert, da nehmen viele Athleten daran teil.

Welchen Tipps hast du, wenn man mal unmotiviert oder müde ist für das Training, das man sich vorgenommen hat? Kennst du das überhaupt oder bist du immer motiviert?

Es gibt wohl selten jemanden, der seinen Beruf zu jeder Zeit hochmotiviert ausübt. So geht es auch mir. Jeder hat in seinem Beruf mal einen schlechteren Tag oder schlechtere Stunden, das ist bei mir auch nicht anders. Ich arbeite zwar noch Teilzeit als Physiotherapeutin, aber mein Hauptberuf ist der Profisport. Und da gibt es einfach auch schlechtere Tage, einerseits, wenn es im Training nicht läuft, oder andererseits, wenn man nicht motiviert ist, weil es draussen schneit oder hagelt.
Mein Tipp bei fehlender Motivation ist, mit jemanden verbindlich abzumachen fürs Training. Dann weisst du, die Kollegin oder der Kollege wartet auf dich, damit ihr gemeinsam z.b. joggen gehen könnt.
Und sich auch mal etwas gönnen nachher, also wenn du trainiert hast trotz Lustlosigkeit oder schlechtem Wetter. Sich selber belohnen mit einem Bad in der Badewanne oder mit einer heissen Schokolade oder mit etwas anderem, das man mag.

Machst du das manchmal, dass du dich selber belohnst?

Dadurch, dass es mein Beruf ist, kann ich mich natürlich nicht jedes Mal belohnen, wenn ich das gemacht habe, was eigentlich von mir erwartet wird, das ich es tue. Aber es gehört für mich schon auch dazu, dass ich zum Beispiel mal etwas Süsses geniesse, zum Beispiel jetzt im Sommer ein Eis.

Nimmst du regelmässig Nahrungsergänzungsmittel?

Regelmässig nehme ich nichts ein. Als ich die Darmprobleme hatte, habe ich eine Darmsanierung gemacht, in dieser Zeit habe ich gewisse Präparate eingenommen. Dies ist bereits länger her, seither nehme ich nichts mehr.
Magnesium ist immer mal wieder ein Thema, das nehme ich phasenweise. Und auch mal Echinaforce oder ähnliches, um das Immunsystem zu unterstützen und stärken.
Ich bin der Meinung, wenn ich regelmässig und ausgewogen esse, dass ich auch alles kriege, was ich brauche. Ich esse sehr gerne Früchte und Gemüse und koche auch viel selber. Bis jetzt bin ich damit gut gefahren.

Was ist dein Lieblingsessen?

Salat. Salat geniesse ich als erstes, wenn ich von Wettkämpfen heimkomme. Früher, als ich noch daheim wohnte, waren es Knöpfli und Bohnen von meiner Mutter gekocht.

Was sind deine Pläne?

Diese Saison mache ich keine Wettkämpfe. Und wenn alles gut läuft und es auch für das Kind und das Umfeld passt, dann werde ich nächstes Jahr den Spitzensport wieder aufnehmen.

Liebe Judith, herzlichen Dank für das interessante Interview und deine wertvolle Zeit. Und alles Gute, sowohl privat wie auch im Sport!

Über Judith Wyder

Physiotherapeutin / Orientierungsläuferin
Verein: OLG Thun / ST Bern / Göteborg Majorna OK
Kader: Nationales OL Elite A Kader

www.judithwyder.ch

Foto: Judith Wyder

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